Aus eigener Erfahrung weiss ich, was es bedeutet, etwas mit den Händen zu erschaffen. Material wie Gips zu formen oder Objekte aus Holz zu erstellen und greifbare Dinge mit den eigenen Händen zu gestalten und die Erfahrung aus einem Jahrhunderte alten Handwerk zu nutzen, den Baustoff zu spüren, das hat Faszination. In meinem Fall spreche ich vom Stukkateur-Handwerk, das ich einst selbst erlernt habe. Jetzt bin ich KI-Berater und beschäftige mich mit einer Technologie, die komplex, virtuell und kaum greifbar ist. In diesem Blogbeitrag blicke ich zurück und untersuche, welche Verbindungen es zwischen diesen beiden Welten gibt.
Der ein oder andere wird sich fragen, welcher Weg wohl eingeschlagen wurde, um vom Stukkateur zum KI-Berater zu werden. Das ist eine lange Geschichte und würde diesen Beitrag definitiv sprengen. Eine Verbindung möchte ich hier jedoch beleuchten.
Die Kunst des Stukkateurhandwerks lehrt Geduld, Präzision und die Fähigkeit, aus rohen Materialien etwas Schönes und Beständiges zu schaffen. Es erfordert ein tiefes Verständnis für Materialien, Werkzeuge, Formenbau und Techniken, die zum Teil über Generationen hinweg weitergegeben wurden. Diese Tätigkeit bringt eine direkte und sofortige Befriedigung mit sich, wenn man sieht, wie eine Idee durch gewissenhafte Vorbereitung, Erfahrung und Geschicklichkeit zum Leben erweckt wird, wie sich das Material von der Idee zum Produkt formt.
Bemerkenswerte chemische Reaktionen
Ein Beispiel hierfür ist der chemische Abbindeprozess von Gips. Sobald Gips mit Wasser in Kontakt kommt, beginnt eine chemische Reaktion, bei der das Gipskristall (Calciumsulfat-Hemihydrat) zu einer festen Masse (Calciumsulfat-Dihydrat) hydratisiert. Diese Transformation ist faszinierend, da sie zeigt, wie eine einfache Aktion – das Hinzufügen von Wasser – eine bemerkenswerte Reaktion auslöst. Dieser Prozess erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch ein Gefühl für das Material, um die richtige Konsistenz, den Zeitpunkt der Bearbeitung zu beginnen oder abzuschliessen, um die gewünschte Form zu erzielen. Nicht selten sind hier mehrere Versuche nötig.
Im Stukkateurhandwerk führt jede Veränderung im Material oder Ablauf zu neuen Herausforderungen. Unvorhersehbarkeit wie Luftblasen, Risse oder ungleichmässiges Abbinden (Aushärten des Gips) zwingen den Handwerker dazu, flexibel zu reagieren und kreative Lösungen zu finden. Ähnlich verhält es sich in der Welt der KI, wo unvorhersehbare Datenmuster oder algorithmische Anomalien ständige Anpassungen und Innovationen erfordern. Bei Large Language Models (LLMs) bzw. der generativen künstlichen Intelligenz spielt Wahrscheinlichkeit eine grosse Rolle und es gilt das grösstmögliche Näherungsverhältnis zu erzielen. Auf diesem Weg geht es nicht nur um Einsen und Nullen, sondern um die gezielte Auswertung und Einsatz von Daten.
Genaues Schätzen basiert auf Erfahrung
Wenn ein Schreiner einen Schrank baut, nutzt er seine umfangreichen Erfahrungswerte, um abzuschätzen, was funktioniert und was nicht. Er kennt die Eigenschaften des Holzes, weiss, wie es auf verschiedene Werkzeuge reagiert, welches Holz für welchen Einsatz geeignet ist. Er kann basierend auf den Gesetzen der Mechanik und Physik vorhersagen, wie der Schrank konstruiert werden muss, um stabil und funktional zu sein. Dieses tiefe Verständnis der Materialien und der physikalischen Prinzipien ermöglicht es ihm, Probleme zu lösen und innovative Lösungen zu finden, die sowohl ästhetisch ansprechend als auch praktisch sind. Von KI wird erwartet, diese holistischen Fähigkeiten abzubilden. Hier wird, trotz bereits beeindruckender Ergebnisse, noch etwas Zeit ins land ziehen.
Fantasie ist der Motor, der beide Welten antreibt
Was beide Welten verbindet, ist der künstlerische und strategische Prozess, eine Kombination aus Erfahrung und Vorstellungskraft, der angestossen wird. Im Handwerk beginnt dieser Prozess oft mit einer Vision oder einem Entwurf, der durch die manuelle Arbeit und das direkte Experimentieren mit Materialien Gestalt annimmt. Dreidimensionale Vorstellungskraft spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn sie erlaubt es dem Handwerker, über das Offensichtliche hinauszugehen und Formen und Strukturen zu erschaffen, die eng an die Ausgangslage gekoppelt ist. Egal, ob es um den Einbau eines Fensters oder der Erstellung eines Tisches geht.
Holistische Betrachtungsweise ist also der Motor, der beide Welten antreibt und es erlaubt über bestehende Grenzen hinauszudenken und neue Wege zu beschreiten. Im Handwerk ist es die Vorstellungskraft, die zum Beispiel aus Gipspulver ein kunstvolles Ornament entstehen lässt. In der Technologie wird Vorstellungskraft und Weitsicht genutzt, um aus Daten und Algorithmen intelligente Systeme zu kreieren, Prozesse zu vereinfachen, die im besten Fall unser Leben verbessern.
Die Materialität des Gipses und die Virtuosität der KI-Technologien mögen auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Jedoch fordern uns beide Welten heraus, ständig zu lernen, uns anzupassen und unsere Grenzen zu erweitern. Aus dem Lehrling wird ein Geselle, aus dem Geselle der Meister.
Künstliche Intelligenz kann ein wertvoller Sparringspartner sein, ein funktionelles Werkzeug, dass mit jedem Einsatz und besser wird. Dennoch, KI wird das klassische Handwerk in naher Zukunft kaum ersetzen. Das liegt auch daran, dass alle Sinne und menschlichen Fähigkeiten erforderlich sind, um etwas Bleibendes zu erschaffen. Hier wird es wohl noch Jahrzehnte benötigen, bis KI und Robotik dieser menschlichen Fähigkeit näher kommen.